Vorstand der Interasso tagte in Litauen

Vom 4. bis 6. August 2023 trafen sich die Mitglieder des Vorstandes der Internationalen Assoziation ehemaliger politischer Gefangener und Opfer des Kommunismus in Vilnius, der Hauptstadt Litauen.An der Sitzung nahmen nur drei der fünf gewählten Mitglieder teil: Vorsitzender Christian Dietrich aus Erfurt (Deutschland), Mirna Sunić-Žakman aus Zagreb (Kroatien) und Ján Košiar aus Bratislava (Slowakei).János Lengyel aus Budapest (Ungarn) und Octav Bjoza aus Bukarest (Rumänien) konnten leider nicht anreisen. An dem Treffen nahmen weiterhin teil: Christian Fuchs (Berlin), unser Ehrenvorsitzender, und der Vorsitzender des slowakischen Vereins der Politischen Gefangenen (PV ZPKO) Ján Litecký Šveda aus Bratislava.


Weitere Fotos sind hier zu finden: https://1drv.ms/f/s!At-NWuckSq2ZgbVjWwkF-aY-Ufk_xg?e=7nMZ5P

Der litauischen Mitgliedsverband Lietuvos politinių kalinių ir tremtinių sąjunga (Union der litauischen politischen Gefangenen und Deportierten LPKTS) feierte am 5. August seinen 35. Gründungstag, zu dem die Vertreter der Inter-Asso eingeladen waren. Ein Zentrum des Tages war die Heilige Messe, eine feierliche Kranzniederlegung die Entzündung einer großen Fackel zum Gedenken an alle in der Verbannung umgekommenen Menschen, durch den Präsidenten des litauischen Verbandes, Gvidas Rutkauskas. Im Zuge der sowjetischen Besatzung kam es zu 34 Deportationsaktionen in Litauen, bei denen etwa 132.000 Menschen in Arbeitslager und Gulags gebracht wurden. Seit seiner Gründung im Jahre 1988 sammelt der Verband die Zeugnisse der Repression und hat inzwischen sieben Bände zur Geschichte der Deportation veröffentlicht und eine Internetseite erstellt, auf der die Daten zu 206.200 Opfer politischer Repression gefunden werden können (https://www.lietuviaisibire.lt). Dabei hatte Litauen nur ca. 2,5 Mill. Einwohner in diesen Jahren. Der Verband hat rund 7.000 Mitglieder. Unsere Partner waren zumeist in der Verbannung Geborene.
Die Messe wurde von Kardinal Sigitas Tamkevičius SJ (emeritierter Erzbischof von Kaunas) zelebriert. Er war 1983 zu sechs Jahren Arbeitslager und vier Jahren Exil verurteilt und konnte erst im Dezember 1988 wieder in seine Heimat zurückkehren. Die Predigt in der Messe hielt Msgr. Saulius Bužauskas, Weihbischof der Erzdiözese Kaunas. Weitere Priester konzelebrierten, darunter auch Ján Košiar.
Im Anschluss an die Heilige Messe folgten Begrüßungsreden litauischer Vertreter. Gvidas Rutkauskas, Vorsitzender der Union litauischer politischer Gefangener und Exilanten, begrüßte alle Teilnehmer mit den Worten: „Der Geist des litauischen Widerstands lebt noch immer in uns und ich freue mich, dass wir Menschen, die Litauen lieben, zur heutigen Feier gekommen sind.“ Den Gruß des Präsidenten der Republik Litauen Gitanas Nausėda wurde von seinem Kanzler verlesen und viele der politischen Gefangenen und alle Anwesenden wurden sehr persönlich begrüßt. Darunter die Premierministerin Litauens, Ingrida Šimonytė, die Europaabgeordneten Rasa Juknevičienė und Liudas Mažylis, den Minister für nationale Verteidigung Arvydas Anušauskas, der Generaldirektor des Forschungszentrums für Völkermord und Widerstand der litauischen Bevölkerung Arūnas Bubnys, der Präsident der Inter-Asso Christian Dietrich, den Vertreter des Vorstands der lettischen Organisation politischer Gefangener (Latvijas Politiski represēto apvienba) Talis Veismanis und den Vorsitzender der Polnischen Union der nach Sibirien Deportierten (Związek Sybiraków) Kordian Borejko.
Mehr als 1000 Menschen waren nach Airogola gekommen, Mitglieder der Regionalverbände, Verwandte, Jugendliche und Kinder, Freunde. Als ausländische Delegation erhielten wir Vertreter der Inter-Asso einen Ehrenplatz und konnten litauische Kollegen, Gäste aus dem Ausland und politische Vertreter persönlich begrüßen. In diesem Jahr wird Lettland zusammen mit Estland und Litauen auch den 35. Jahrestag des Beginns des Kampfes um Freiheit und Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit am Ende des 20. Jahrhundert begehen. Am 23. August sind 85 Jahre seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Hitler und Stalin durch Molotow und Ribbentrop vergangen. Dieser Vertrag entschied nicht nur über das Schicksal Polens, sondern bedeutete auch das Ende der staatlichen Unabhängigkeit der Baltischen Staaten. Litauen wurde der deutschen Einflusszone zugeordnet, doch durch einen Zusatzvertrag vom 28. September 1939 wurde Litauen der Sowjetunion zugeteilt und besetzt. Im August 1940 wurden diese baltischen Staaten offiziell der UdSSR eingegliedert und am 14. Juni 1941 begannen Massendeportationen der litauischen Bevölkerung nach Sibirien.
Die Liberalisierung des kommunistischen Regimes unter Gorbatschow fand insbesondere in Litauen eine große Resonanz. Kirchen wurden den Gemeinden zurückgegeben, politische Gruppierungen wurden und auch ein Verband der politischen Gefangenen gründete sich. Am 23. August 1989, dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Ribbentrop-Molotow-Pakts, gelang es Letten, Litauern und Esten, eine 690 Kilometer lange Menschenkette, den „Baltischen Weg“, entlang der Straße von Tallinn (Estland) über Riga (Lettland) nach Vilnius zu organisieren. Diese Aktion erregte die gebührende Aufmerksamkeit der ganzen Welt und brachte deutlich den Wunsch der baltischen Staaten nach Unabhängigkeit von der Sowjetunion zum Ausdruck. In Litauen versuchte die Sowjetführung Anfang 1991 dies mit Gewalt zu verhindern, scheiterte jedoch an den Massenprotesten des kleinen Landes.
Die Gäste der Interasso hatte am Abend der Anreise eine Führung durch Vilnius von der Dolmetscherin und Publizistin und in der Verbannung geborenen Irena Tumaviciute bekommen. Am Samstag, dem 5. August, tagte der Vorstand abends in Vilnius. Der Vorsitzender Christian Dietrich berichtete über die Aktivitäten der Interasso seit der letzten Vorstandssitzung, die mit dem Präsidenten des litauischen Verbandes Gvidas Rutkauskas in Berlin im Dezember 2022 stattfand. Er berichtete über seine Teilnahme an mehreren internationalen Treffen mit Vertretern europäischer Opferverbänden. In naher Zukunft muss geklärt werden, wie die Arbeitsfähigkeit des Vorstandes bewahrt werden kann, wenn die Präsidiumsmitgliedern aus Ungarn und Rumänien nicht mehr reisefähig sind. Der Vorsitzende des LPKTS-Regionalverbandes Vilnius, Prof. Jonas Jakaitis, nahm als Gast an der Sitzung teil. So konnte eine Vereinbarung getroffen werden über die gemeinsame Ausrichtung des nächsten Interasso-Kongresses. Er wird in Litauen am ersten Augustwochenende 2024 – so Gott will – stattfinden wird.
Ján Košiar

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